• Licht

    Der Tag danach

    Gegen Mittag saß Lisa neben Tom auf der großen Picknickdecke und schaute aufs Meer hinaus. Die Luft war klar und schmeckte nach Salz. Ein paar einzelne Wolken glitten über den ansonsten klaren Himmel und mehrere Möwen zogen kreischend ihre Bahnen. Eine leichte Brise wehte bei angenehmen dreiundzwanzig Grad vom Wasser her zu ihnen herauf. Ein Stück weiter ging die sanfte Dünenlandschaft in eine schroffe Steilküste über und man konnte von hieraus vage den Eingang zu den Seeräuberhöhlen erkennen, die sie am Vormittag besichtigt hatten und der nur über eine Reihe von Holzstiegen erreichbar war. Unten am Wasser spielten Jannik und Merle mit ihrer Mutter ausgelassen Strandräuber, suchten Schätze im Sand…

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    Die Nacht

    „Ich komme jetzt mit, weil Mama das will“, meckerte Jannik, „aber ich glaub‘ dir das nicht. Papa ist nicht in dem Wald.“ Während Lisa ihm ein Kleidungsstück nach dem anderen reichte, redete er sich immer mehr in Rage. „Ich weiß nicht warum, aber du willst uns nur ärgern.“ Lisa hatte aufgegeben, ihrem Bruder zu antworten. Von nebenan hörte sie Merle jammern. Das konnte ja heiter werden. Der eine war stinksauer und die andere quengelte vor Müdigkeit. Mama war aus dem Nachbarzimmer zu hören, wie sie mit einer Engelsgeduld auf Merle einredete, um sie dazu zu bewegen, sich anzuziehen. Lisa bewunderte ihre Mutter dafür. Sie selbst war drauf und dran, ihren…

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    Tag sieben

    Während der Gesang allmählich zu ihr durchdrang, erinnerte sich Lisa noch an den einzigen Traum der letzten Nacht. Ihr Vater hatte auf der Bettkante gesessen, über ihr Haar gestrichen und ihr „danke Lisa, du bist toll“ zugeflüstert. Dann hatte er „ich liebe dich meine Große“ gesagt, sie auf die Stirn geküsst und hatte das Zimmer verlassen. „Der Spatz erzählt’s dem Morgenwind, tirallala tiri…“, sangen Jannik und Mama gemeinsam in einer Tonart, Merle hatte ihre eigene. Es war ein schönes Familienritual, so geweckt zu werden. Noch vor einer Woche hatte Lisa anders darüber gedacht. Jetzt stürzten sich nacheinander Merle, Jannik und Mama auf sie, um ihr zu gratulieren und sie zu…

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    Tag sechs

    „Lisa, bist du wach?“ Die Stimme ihrer Mutter drang in Lisas Bewusstsein. „Lisa, wenn du wach bist, komm doch mal bitte ins untere Badezimmer.“ Lisa setzte sich im Bett auf und bemühte sich, zu sich zu kommen. Es war immer noch so drückend heiß. „Lisa?“ „Ja Mama, ich komme“ Sie schlug die Decke beiseite und schwang die Beine aus dem Bett. So wie sie war ging sie die Treppe hinunter. Den Schritt über die knatschende Stufe fanden ihre Füße von allein. Sie öffnete die Badezimmertür und trat ein. Ihre Mutter saß auf dem Boden vor der Waschmaschine, Lisas Hotpants auf dem Schoß. In der Hand hielt sie das Kettchen mit…

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    Tag fünf

    Allmählich erwachte Lisa wie aus einer tiefen Bewusstlosigkeit. Sie lag immer noch auf dem Bauch, genauso, wie sie sich gestern auf das Bett geworfen hatte. Die Kleidung fühlte sich unangenehm verschwitzt und schmutzig auf der Haut an. Ihr Gesicht klebte auf dem Laken und löste sich nur allmählich, als sie den Kopf hob. Es fiel ihr schwer, sich zu orientieren. Vorsichtig setzte sie sich auf und rutschte auf die Bettkante. Je mehr sie zu sich kam, desto klarer drang ein Gedanke in ihr Bewusstsein: Schau genauer hin. Der Schneeballtraum. Was, wenn all das, was sie träumte, zusammengehörte? Hatte sie möglicherweise alle Puzzleteile schon? Ein Blick auf den Wecker verriet ihr,…

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    Tag vier

    Beim Aufwachen fragte Lisa sich, was ihr Gehirn nachts verarbeitete. In der Krankenkassenzeitschrift stand einmal ein Artikel darüber. Erholt fühlte sie sich jedenfalls nicht, zumal die Temperatur im Haus selbst nachts nicht mehr unter achtundzwanzig Grad fiel. Der Blick in den Kleiderschrank nervte sie ebenfalls. Auf der einen Seite stapelte sich die Winterkleidung, während auf der anderen gerade einmal noch zwei Unterhosen, zwei T-Shirts, eine kurze Hose, die sie eigentlich schon längst aussortieren wollte, weil sie am Bauch kniff und ein Paar Sneaker-Socken lag. Nur im Fach mit den Pyjamas waren noch ein paar Garnituren übrig. Sie entschied sich dafür, die Hose von gestern noch einmal anzuziehen, obwohl diese nach…

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    Tag drei

    Lisa war hellwach. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst sechs Uhr morgens war. Obwohl es schon unglaublich warm war, fühlte sie sich erholt. Es war eine schöne Erinnerung, die sie in der letzten Nacht noch einmal durchlebt hatte und eine Portion Schnee zur Abkühlung wäre jetzt genau das Richtige gewesen. Im Haus war es absolut still. Die anderen schliefen vermutlich noch. Lisa schwang die Beine aus dem Bett. Die Kleidung vom Vortag roch intensiv nach Rauch. Daher öffnete Lisa den Schrank. Langsam ging ihr die Kleidung aus. Ihre Mutter hatte schon seit einigen Tagen nicht gewaschen. Nach dem Gang ins Bad schlich Lisa in die Küche…

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    Tag zwei

    Der nächste Morgen entpuppte sich als Déja Vu des vorherigen. Als Lisa aufwachte, war wieder die lautstarke Mischung aus Kinderkreischen, Radio und Gesang zu hören. Lisa sprang aus dem Bett, holte sich aus dem Schrank eine neue Garnitur Sommerkleidung und ging ins Bad. Die Hose und das T-Shirt von gestern, die sie vor dem Insbettgehen einfach vor ihrem Hocker fallen gelassen hatte steckte sie auf dem Weg unter die Dusche in den Wäschekorb. Nach dem Frühstück ging Lisa in ihren Bauerngarten vor dem Haus. Sie band Stockrosen hoch, die auf den Weg zu kippen drohten, zupfte hier etwas Unkraut, pflanzte da ein paar Stecklinge, goss einen erst kürzlich umgesetzten Sonnenhut.…

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    Tag eins

    Lisa wachte davon auf, dass unter ihr, aus der Küche, ein fürchterlicher Lärm zu hören war. Jannik und Merle, ihre kleinen Geschwister, kreischten und lachten, Mama sang und das Lied aus dem Radio schien nicht so recht zu dem passen zu wollen, was aus ihrem Mund kam. Dazu war noch das Quietschen von Möbeln auf dem Steinboden zu hören. Die Sonne schien hell in Lisas Zimmer. Der Wecker schaute immer noch schmollend in die andere Richtung. Lisa drehte ihn um und schaute aufs Zifferblatt. Es war schon halb Elf. Lisa zog die Bettdecke noch einmal hoch und lauschte auf den Lärm von unten. Das Leben ging weiter, im Augenblick ohne…

  • Licht

    Nachts

    Lisa saß aufrecht in ihrem Bett. Das Zifferblatt des Funkweckers zeigte genau 2.23 Uhr. Es war merkwürdig kalt, so kalt, dass sie sogar ihren Atem in der Luft sehen konnte. Ein helles, fahlblaues Licht erfüllte das Zimmer. Lisa stieg aus dem Bett und ging barfuß, nur mit ihrem leichten Sommernachthemd bekleidet zum Fenster hinüber. Als sie hinausschaute, sah sie im Gegenlicht einen Mann über die Wiese gegenüber gehen, genau auf das Licht zu, das durch die Bäume des nahegelegenen Waldstücks schien. Die Person trug etwas in den Armen, das Lisa nicht genau erkennen konnte. Leise schlich Lisa die Treppe hinunter und öffnete die Haustür. Die Luft schien draußen noch kälter…